Allgemein Freizeit

Matschgrün

Ich kann mir nichts Langweiligeres vorstellen, als das, was ich gerade tue. 

Ich sitze an meinem Schreibtisch und drücke auf meiner Tastatur herum. Die Neonröhre über mir blendet mich mit sadistischer Genüsslichkeit zu Tode. Die stehende Luft ist aufgeladen mit Langeweilepartikeln und drückt auf die Stimmung. Allein Essen schenkt mir einen Lichtblick. Für kurze Zeit. 

Meine Pausenbrotdosen rund herum vor mir aufgestellt, überlege ich, was ich hier eigentlich tue. Hier bedeutet Büro Nummer 31 im dritten Stock meines Arbeitgebergebäudes. Hier bedeutet auch der Schreibtisch mit Blick zur Wand und der Bürotür im Nacken. Eine grässliche Anordnung. Wer dieses Büro eingeräumt hat, besaß entweder ein eindimensionales Vorstellungsvermögen oder wollte schlichtweg seine Arbeitnehmer beobachten können. Irgendwie creepy. Auch bei der Wandfarbe ist die schlechte Stimmung angekommen. Leichtpastelliges matschgrün mit windpockenähnlichen Fettflecken trifft auf grauen Teppichboden und die tollen Neonröhren. Ein Traum. Kotz. 

Mir kommt eine Idee. Anscheinend hat das gleißende Licht nicht nur negative Effekte, sondern produziert auch kreative Ideen gegen Langeweile. Vielleicht bin ich auch einfach nur so verzweifelt, dass mein Gehirn auf Notsituation umschaltet und mir intuitiv eine Aufgabe zukommen lässt, damit ich mich nicht in absehbarer Zeit aus dem dritten Stock werfe. 

Ich räume um!  

Was für eine gleisende Idee. Aus Langeweile wird Produktivität. Wenn das nicht die beste Metamorphose ist, die einem beim Anstarren der Kotz-Wand einfallen kann, dann weiß ich auch nicht mehr.  

Motiviert trete ich die Schlacht an. Ich brauche einen Plan! Ich muss mich mit dem hochkomplexen Konstrukt namens Büro Nummer 31 befassen und dazu brauche ich einen matschgrünfreien Kopf. Schwungvoll stehe ich auf. Ich strotze vor Energie. Ich wende mich von der Wand ab und schaue aus dem Fenster. Es regnet. Der Himmel ist grau. Immerhin nicht matschgrün. Man muss mit dem arbeiten, was man hat. Der Farbwechsel hilft meinem Gehirn auf die Sprünge, dass gerade Energiewellen an meine Beine und Hände zwecks Ideenausführung schicken wollte, als es an meiner Tür klopft.  

Erschrocken, wie ein kleines Kind, das beim Nasepopeln erwischt wird, springe ich hoch. Es ist mein Personalleiter. Mein Herz schlägt nervös. 

„Sie ziehen um.“ – Bumm 

„Wir brauchen den Platz für eine andere Kollegin.“ – Bumm Bumm. 

„Bitte packen Sie Ihre Sachen und richten sich im Raum 13 ein.“ – Bumm Bumm Bumm. 

Ich höre die Tür ein zweites Mal und bin wieder allein. Mit der Matschgrünen Wand. Hat man mich beobachtet? Der Umzug entfacht in mir das Gefühl von Bestrafung. Leise packe ich meine Sachen und steuere auf Zimmer 13 zu. Dem Matschgrün habe ich nicht Tschüss gesagt. Ich öffne die Tür meines neuen 9-to-5-Zuhauses und schaue auf eine Wand. 

In matschbraun. 

Text: Mareike Preun

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